Der 5-Jahres-Plan
(Dokumentation Praktischer Teil)

Naomi Tereza Salmon

Version: eb9095849a

    
     
     

0.1 Der 5-Jahres-Plan

Ich verstehe meine Aufgabe als künstlerische Mitarbeiterin darin, alle Aspekte der Kunst und der Öffentlichkeitsarbeit systematisch zu untersuchen und das Wissen über Funktionsweisen des Kunstmarktes und die Entstehung guter Kunst zu vermitteln. Es geht hierbei um Kompetenzen, die nicht zwangsläufig zum Wissen eines Künstlers gehören müssen, jedoch können und eventuell sollten. Ich finde es wichtig zu wissen, wie unser Umfeld funktioniert, bzw. wie es ‚tickt‘, wie sich Meinungen entwickeln und sich zu pro und kontra formieren. Ich bitte zum Beispiel Studierende, die einfach so die Floskel ‚Scheiß Kunstmarkt‘ von sich geben, auf einer halben Seite Papier aufzuschreiben, warum sie so denken. Ich glaube, man kann natürlich seine eigene Meinung zum Kunstmarkt haben, aber man muss auch in der Lage sein, sie verbal zu vertreten und sich reflektiert darüber zu äußern.

Aufgrund Weimars besonderem Standort, sich mitten in Deutschland zu befinden aber doch losgelöst und abgekapselt von den großen Kunstzentren zu sein, ist das Beste, was man jetzt im Studium anbieten kann, zu zeigen wie es ‘draußen’ läuft. So kann man sich besser bewegen, wissen und verstehen, das heißt die Parameter des künstlerischen Felds kennenlernen.

1 Das Format Fachkurs3

Parallel zu den Projekten werden im Studiengang Freie Kunst auch Seminare, Workshops und Fachkurse angeboten. Den künstlerischen Mitarbeitern der Fakultät Gestaltung wird eine große Freiheit zugestanden, nach Absprache mit den jeweiligen Professoren pro Semester einen Fachkurs oder einen Workshop mit Inhalten ihrer Wahl anzubieten. In der Regel werden Fertigkeiten im Bereich Computerprogramme, Video und digitale Bildbearbeitung, oder Buchbinderei, um nur ein paar Beispiele zu nennen, angeboten. Es war meine Aufgabe, das, was ich vermitteln möchte, an diese Formate anzupassen. 2007, beginnend mit meiner Stellenbesetzung, habe ich folgende Fachkurse abgehalten, die alle um das Studium Freie Kunst und das professionelle künstlerische Umfeld kreisen. Zu jedem Vorlesungsverzeichniseintrag habe ich hier Notizen oder einen ganzen Text hinzugefügt, um die Erfahrungen und authentischen Momente festzuhalten.

1.1 ‚Ausstellen von A bis Z‘ (Ausstellungsgestaltung I)

WS 2007/08

In diesem Fachkurs wurden alle Facetten und Schritte einer Ausstellung, von der Idee bis zur Eröffnung bearbeitet worden. Thematisiert und praktiziert sind: Kontakt zur Galerie; Finanzierung; Terminplan; Pressearbeit; Künstler-Assistenz; Objektbau und Werkstatt; Ausstellungsaufbau und Eröffnung. All’ dies wurde durch die Begleitung einer kommenden Ausstellung in der ACC Galerie Weimar, mit dem Galeristen Frank Motz, sowie dem Künstler Nikos Arvanitis realisiert.

Notizen

Von der Idee über den Plan und die Materialanschaffung, Kunstwerke zu erzeugen. Die Pressearbeit spielte eine Rolle. Der Ablauf der Ausstellung und die Künstlerassistenz sind wichtig. Damit kann man ‘üben’ und lernen, eine Konfrontation mit Aufbau-Problematiken erfahren und sich diesen stellen. Praktisches Beispiel hierfür war das Künstler Duo Barking Dogs United das eine große Solo Ausstellung in der ACC Galerie in Weimar zu verwirklichen hatte. Darauf aufbauend, boten wir einen Fachkurs an. Sechs Studenten nahmen daran teil. Sie arbeiteten zu allen Tätigkeitsfeldern und konnten auf Grund dieser Erfahrung probieren, ob eine künstlerische Assistenz ein für sie geeigneter Künstlerberuf wäre.

1.2 ‚Hebräisch für Anfänger‘ (Künstlerische Forschung I)

SS 2008

In diesem Fachkurs wurden alle Methoden einer künstlerischen Forschung, hinsichtlich des Reisens, von der ersten Entscheidung über das Thema bis zur Vorstellung von Resultaten, untersucht. Thematisiert werden: Vorurteile, Kunsttourismus, Exotik und Dilettantismus, Reiseberichte aus der Literatur und Einflüsse aus der Philosophie und der Wissenschaft. Dies geschieht als Vorbereitung zur Israel-Exkursion.

Notizen

In diesem Fachkurs ging es im Rahmen des Projektes um eine Reise nach Israel und in dem Zusammenhang um künstlerische Recherche. Zunächst ging es darum zu erkennen was eine Materialsammlung bedeutet, was als künstlerische Recherche gelten kann und welche Methoden es zu Materialsortierung gibt. Was ist ein Notizbuch, wie kann man sich einen Überblick mittels der Herstellung von Mind maps schaffen und wie gelingt die Übersetzung des gesammelten Materials zur Präsentation, bzw. die Wandlung dessen zu einem Kunstwerk.

1.3 ‚K3 - wenn Künstler Kunst kuratieren‘ (1-3)

Dies ist eine Zusammenfassung aller Drei Fachkurse. Siehe die Originalfassungen aus dem Vorlesungsverzeichnis im Anhang sowie die Ergebnisse in der Anlage “`KIOSK09-Katalog”’.

WS 2007/08 + SS 2009 + WS 2009/10

Das ehemalige K&K Zentrum für Kunst und Mode, (heute KoCA Weimar, Kiosk of Contemporary Art) wird als Prototyp untersucht, und als Biotop und Labor benutzt. In drei Etappen wird in diesem Fachkurs eine Art Kuratorenschule durchgeführt. Die Themen, die in Gastvorträgen diskutiert und praktisch umgesetzt wurden, waren: Zusammenarbeit und Kollaboration allgemein, Künstler als Kuratoren, Vorgeschichte des Ortes, Konzeptfestlegung, Ortsname, Open Call organisieren, Jurieren, PR & Presse-Arbeit, Nachhaltigkeit, Eröffnung des Bauhaus-Jubiläum 09, Ausstellungen: Auf- und Abbau im 6-Wochen-Takt, Aufgaben verteilen und delegieren, Projektleitung, Sponsoring, Umgang mit Öffentlichkeit, sowie Dokumentation, Materialsammlung für den Katalog, Finanzbericht, Fertigung, und Übergabe.

Notizen

Als Leitmotiv für die anstehende Ausstellungsserie wurde von der Gruppe KIOSK09 das Thema Aneignung gewählt. Mit diesem Thema als Ausgangspunkt – Künstler interagieren mit anderen Künstlern – bestand das Anliegen der Ausstellungsserie da, sich mit dem gegenwärtigen Phänomen der mutual reference, der Wiederverwendung und Anpassung von Kunst zu beschäftigen. In unserem digitalen Zeitalter sind wir mit einer quantitativen und qualitativen Fülle sowie der schnellen Entstehung und Verbreitung von Aneignungs-Kunstprojekten konfrontiert. Besonders prägend ist das Phänomen, dass Künstler an das geistige Eigentum anderer Künstler und lokaler Kunstinstitutionen anknüpfen. Zum Beispiel: Weimarer Nationaltheater mit Benedikt Brauns Deutscher National Kiosk, Galerie Eigenheim mit Anke Hannemanns Eigenkiosk, an die Stadtwerke Weimar mit Anna Giersters StadtwerksKiosk und an internationale Institutionen wie dem MoMA mit Felix Rufferts KoMA. Die Aneignung beinhaltete das subversive Verändern der Logos der Institutionen, der Einladungskarten und Websites. Dieses Konzept bedeutete eine große Herausforderung für uns, für den Kiosk und für seine Besucher. Der Kiosk am Sophienstiftsplatz hat sich in Weimar bereits einen Namen gemacht und ist seit 2001 Bezugspunkt für Künstler wie für die Universität.

Weimars “Kunstmeile”, die Heinrich-Heine-Straße, besteht nun aus dem Neuen Museum, den Galerien marke.6 und Eigenheim, der Fotothek, der Kunsthalle Harry Graf Kessler und dem Kiosk. Seit April 2009 wurde der Kiosk, der zuvor den Namen KoCA (Kiosk of Contemporary Art) trug, unter diesem Konzept geführt. So verlangte jede Ausstellung nach einem neuen Schild, einer neuen Website und einer neuen Corporate Identity, die sich an den Ideen der ausstellenden Künstler orientierte. Die Jury des KIOSK09 bestand aus den Teilnehmern des Fachkurses. Die Ausschreibung wurde an ausgewählte Alumni geschickt, von denen schließlich das KIOSK09 Kuratorium eine Auswahl für die Ausstellungen traf.

Bild: [KIOSK09-Fachkurs Teilnehmer bei der Arbeit]

Dies ist die Basis meines praktischen Teils im Rahmen meines PhD Vorhaben gewesen und aus diesem Grund sind die Notizen auch viel ausführlicher. Ich habe das Thema Kuratieren gewählt, weil es vielfältig ist. Es beinhaltet ein großes Spektrum, vermittelt Fähigkeiten zum richtigen Organisieren von Kunst und verlangt Kooperation. Es ging um viele verschiedene Facetten von der Arbeit an einem bestimmte und eigenen Ort, nicht nur um das Kuratieren. Ich habe die Anzahl der teilnehmenden Studenten auf 15 beschränkt, damit einerseits nicht alles zu sehr ausufert und die Verantwortungsfelder sowie Aufgaben ernst genommen werden. Manche von den Teilnehmern haben alle drei Fachkurse in den Folgesemestern belegt, was für sie eine sehr lange und harte, dafür aber umfassende Erfahrung versprach. Ziel war es, nicht nur für sich zu klären, ob diese Sorte Beschäftigung zu einem passt, sondern auch um die Vermittlung des Gefühls, wie es ist, wenn man die Verantwortung trägt und es keine Semesterferien im eigentlichen Sinne gibt. Für diesen Zeitraum ‚Vorlesungsfreie Zeit‘ genannt, mussten die mitwirkenden Studenten-Kuratoren sichern, dass sie auch in dieser Zeit zur Verfügung stehen würden. Grundregel Nr.1 war: alle Entscheidungen werden demokratisch und per Abstimmung festgelegt. Es betraf auch mich und das war manchmal schwierig, denn ich musste lernen, mich auf Entscheidungen anderer und ihre Ausführungen zu verlassen.

Um den Überblick nicht zu verlieren, haben wir über das Treffen einmal die Woche auch eine Internet Plattform, genannt Basecamp als öffentlichen Treffpunkt benutzt. Alle Teilnehmer erhielten auf diese Weise ihre Aufgaben und waren immer aktuell informiert. Wir entschieden uns des weiteren, im Rahmen des ‚90 Jahre - Bauhaus‘ Jubiläums, Alumni der Bauhaus-Universität zum Thema Aneignung in acht aufeinander folgenden Ausstellungen zu präsentieren. Wir machten uns sofort an die PR-Arbeit. Das ist ein wichtiger Fakt, denn es ging um eine Reihe von acht Ausstellungen, welche regelmäßig fast alle sechs Wochen wechselten. Die Studenten mussten sich jetzt mit Eröffnung, Aufbau, Abbau sowie der Künstlerbetreuung beschäftigen. Wir mussten ebenfalls in kürzester Zeit die Aufmerksamkeit in der Stadt Weimar gewinnen.

Es handelte sich insgesamt um drei Semester und zwei vorlesungsfreie Zeiten, also, semesterübergreifende Arbeit. Auf freiwilliger Basis konnte jeder Teilnehmer auch Projektleiter für eine der Ausstellungen werden. Ich stand ständig im Hintergrund in Bereitschaft, um dringende Probleme, die die dann natürlich auch auftraten, zu lösen. Der jeweilige Projektleiter trug die volle Verantwortung. Es gab den Anreiz, sowohl meinerseits als auch in der Gruppe, das Niveau hoch zu halten. Es muss professionelle Kunst gemacht werden und nicht nur nach Kunst aussehen. Das Wort Nachhaltigkeit wurde ganz groß geschrieben. Jeder konnte auswählen, im welchem Bereich er arbeiten will und dies wurde auch von Semester zu Semester gewechselt. Da wir das Thema Aneignung bearbeiteten, wurde die Neubenennung des Ortes pro Ausstellung ein Teil des Konzepts, was bedeutete, für jede Ausstellung einen neuen Namen und ein neues Schild zu entwerfen und es zu installieren. In unserer ersten Ausstellung haben wir uns auf das Deutsche Nationaltheater Weimar bezogen und auch das Logo übernommen. Jedes Mal, wenn man auf die Website des Kiosks klickte, kam ein Interface vom originalen Ort, mit unseren Inhalten. Wir machten Kunst im öffentlichen Raum und praktische Erfahrungen in Sachen Sponsoring. Genehmigungen bei der Stadt und den Behörden konnten auch gesammelt werden. Für jede Ausstellung wurde eine Pressemitteilung von einem Student verfasst. Wir sind ins System hinein geschlüpft. Zum Abschluss stand der Finanzbericht. Diesen bearbeitete ich zusammen mit zwei Studenten, welche das Verfahren jetzt gut beherrschen.

Wichtig zu erwähnen ist noch die Tatsache, dass die eingeladenen Künstler sich mit unserem Konzept erst einmal anfreunden mussten. In dem Sinne, dass sie die Wahl hatten, aus dem Kioskkonferenz Bogen sich eine Institution zur Aneignung, die vom Konzept her zum Inhalt ihre Ausstellung passen würde, herauszusuchen. Manche haben sich der Liste bedient, aber manche sind mit eigenen Vorschläge zu uns gekommen. In der vierten Ausstellung mit der Künstlerin Anna Gierster, kam es zu einigen Missverständnissen, die schlussendlich in einer offiziellen Pressekonferenz geklärt werden mussten: Gierster hatte den Kiosk zu einer Außenstelle bzw. Filiale der Weimar Stadtwerke (Energieversorgung) umfunktioniert. Eine Woche später kam ein Anruf, wir sollen alles abbauen, denn es würden sich Kunden melden und bemängeln, dass es keine Öffnungszeiten gebe für die KioskWerke. Nach Kontaktaufnahme des Projektleiters Lucian Patermann, haben wir dann einen Termin mit den Zuständigen festgelegt. Da die Einladung wie ein Pamphlet der StadtWerke aussah, war dieses Missverständnis nachvollziehbar. Als Resultat wurde eine Pressekonferenz zur Aufklärung der Verwechselung einberufen. Mitten auf der Straße wurden Tische, Stühle, Mikrofone, Kameras, und offizielle Namensschilder vorbereitet, für die Repräsentanten der StadtWerke richtige und für uns falsche. Es sah alles wirklich eins zu eins wie eine Pressekonferenz aus, die auch von verschiedenen Medienvertretern aufgenommen wurde. Als Kompromiss sind wir aufgefordert worden, ein Schild aufzustellen, das den Kiosk explizit als keine Stelle der StadtWerke benennt. Wir haben uns für Timm Ulrichs Aufkleber ‚Vorsicht Kunst!‘ entschieden und es wurde akzeptiert.

Als nächstes bauten wir das KoCA Inn, ein umfangreiches Ereignis, von dem der Kiosk ein Teil war und was für das Kiosk-Team eine zusätzliche Herausforderung bedeutete, nämlich die der Kooperation von zwei Künstlergruppen. Besonders positiv hervorheben möchte ich in diesem Fall die Stadt Weimar, die in den Genehmigungsvorgängen immer freundlich und großzügig mit uns umgegangen ist. Das 14-tägige Ereignis war so überwältigend in seinen Erfahrungen, dass ich darüber einen separaten Text geschrieben habe, der auch einen der Grundsteine dieser Dissertation für mich bedeutet.

Bild: [KoCA Inn Entwurf auf Tisch]

1.4 ‚The Game‘ * (Die Kunstmarkt Akteure )

SS 2010

Der vollständige Fachkurs-Titel lautet: ‚The names may change, but the game stays the same‘

“Seit Mitte der Neunziger erlebt die zeitgenössische Kunst einen beispiellosen Boom. Von allem gibt es mehr: mehr Künstler, mehr Sammler, mehr Galerien, mehr Kunstmessen, mehr Museen, mehr Biennalen, mehr Interessierte, mehr Pop, mehr Hype. Wie kann man da noch die Übersicht behalten? Wie kann man gute von schlechter Kunst unterscheiden? Welche Künstler und welche Werke sind entscheidend zu Beginn des 21. Jahrhunderts und warum?”‚(Jörg Heiser, Plötzlich diese Übersicht, Klappentext). Über dieses Thema werden Dokumentationen gedreht, wird in Feuilletons und Blogs geschrieben und eifrig diskutiert. Künstler äußern sich im Dialog in der Metaebene und dies wird in den Kunstwerken reflektiert. In der Werkzeugkiste des Künstlers darf es an Argumenten / Gegenargumenten nicht fehlen. Im Fachkurs werden in einer Materialschlacht aktuelle Positionen im Kunstmarkt sowie Kunstkritik im Netz, Kunstmagazine und Dokumentar-Filme untersucht und bewertet.

Notizen

Ich war auf den Geschmack gekommen. Es gab großes Interesse an dem Thema und die Teilnehmerzahl (25 Eingeschriebene) war erheblich gestiegen. Kurz hieß es The Game, und die Veranstaltung ging intensiv um alle Kunstmarktaktuere, wie Sammler, Käufer, Galeristen, Kritiker. Um Institutionen: Museen, Galerien, den öffentlichen Raum, aber auch Kunstvereine und Plattformen wie Messen, Biennalen, Auktionshäuser. Wir haben viele Publikationen und Filme über die Kunstwelt gesehen. Jeder musste sich dazu positionieren und ein eigenes Statement verfassen. Zusätzlich wurde viel über die Beziehungen zwischen Akademie und Kunstmarkt diskutiert.

1.5 ‚Kochen mit Wasser‘ (Professionelle Präsentation)

SS 2011 (Mit Dipl.-Künstl. Anke Hannemann)

Auf zur Professionalisierung! Im Englischen sagt man: ‚It’s not the What, it’s the How’‚ ‚Nicht was, sondern wie‘. Was gefällt uns bei anderen Präsentationen? Welche Werkzeuge und welches Wissen sind nötig? Wie organisieren freischaffende Künstler eigentlich ihr Leben? Wie sieht eine gute Mappe, ein ansprechendes Portfolio aus und wie beschreibe ich meine künstlerische Arbeit? Was soll in eine Bewerbung für Stipendien oder Preise hinein, welche Form ist geeignet und wie halte ich Termine ein? Wie soll die Arbeit dokumentiert und was darf dabei nicht vergessen werden? Der Künstler im Auge der Medien wird untersucht, künstlerische Inhalte und eine Optimierung der künstlerischen Arbeit werden besprochen. Inhalte: Layout / Präsentation‚ Mappenpräsentation, Port Folio (CV, Stil, Inhalte, Aufbau)‚ Werkzeuge zur besseren, eigenen Redaktion‚ Time-line für Projekte, der richtige Umgang mit Deadlines‚ Anträge Stipendium + Preise, Bewerbungen‚ PR (Pressemitteilung, Artist Statement, Internetpräsenz, Umgang mit Presse, Verwaltung von Verteilern, Anfertigen eines Pressespiegels)‚ Dokumentation der eigenen Arbeit.

Gäste: Fritz v. Klinggräff (Pressesprecher der Stadt Weimar); Max Albrecht (Internet & Urheberrechte); Frank Motz (Galerist, ACC Weimar) Carina Linge (Künstlerin); Jana Herkner und Eileen Stillger (KulturmanagerKünstler B.A.) Blog: www.kochenmitwasser.tk

Notizen

Ich bin der Meinung, dass die anderen auch nur mit Wasser in der eigenen Präsentation kochen. Es ging nicht um das Was, sondern um das Wie, um Mappe, Website, eigene PR und Rhetorik. Man musste sich selbst vorstellen und es ging um Marketing, Internetpräsenz, Bewerbungen usw. Alles wurde innerhalb des Fachkurses bearbeitet. Dazu beschäftigten wir uns auch noch mit dem Bild des Künstlers in den Medien, in Fernsehserien und Filmen. Wir saßen da und sahen uns Filme und Serien an, z.B. Six Feet Under, in welchem Claire Fisher eine Kunststudentin spielt. Alle diese Positionen, auch aus den Medien, haben wir nochmals in Bezug auf uns reflektiert und diskutiert, wie wir dazu stehen. Bei diesem Fachkurs nahmen fast 50 Studenten teil, was für die Rundgänge etwas längere Zeit bedeutete und etwas weniger persönlichen Kontakt, im Verhältnis zu anderen Fachkursen.

1.6 ‚Miller’s Crossing‘ (Kooperation)

SS 2012 (Mit Dipl.-Künstl. Anke Hannemann & Sean Miller, University of Florida, USA.)

Wie vernetzen sich Künstler miteinander? Wie bauen sie ihr weltweites/internationales Netzwerk aus und wie können sie dennoch produktiv kollaborieren und zusammen arbeiten, wenn tausende über tausende Kilometer zwischen ihnen liegen? Wie professionell sind sie dabei und in welcher Form, mit Hilfe welcher Strategien werden Ideen ausgetauscht und zusammen gebracht – (Port Folios, Webseiten, Katalogen, Skizzen, Fotografien, Video- oder Audioschnipsel, per Skype, Facebook, iVersity, basecamp oder anderen online-Plattformen, etc.). Wo liegen die Grenzen bei der Kommunikation, den kulturellen oder ästhetischen Unterschieden und wie können diese überschritten oder übergangen werden.

Dieser Fachkurs ist ebenso ein kollaborativer Versuch, ein Experiment zwischen Studierenden der University of Florida, USA (zusammen mit dem Performance / Medienkünstler und Hochschulmitarbeiter Sean Miller) und der Bauhaus-Universität Weimar. Die Studierenden können sich an einer kollaborativen Arbeit versuchen, ihre eigenen möglichen Formen kollaborativer Strategien erforschen und einen Einblick in Projekte gewinnen, die gleichzeitig und zusammen an unterschiedlichen Universitäten, in verschiedenen Städten,realisiert werden. Eingeladene Gäste werden über ihre eigenen aufgebauten Netzwerke, erfolgreich geführte kollaborativen Projekte und Formen der Kommunikation und des Austausches via Internet, referieren.

Notizen

Im diesem Fachkurs ging es um das Kooperieren allgemein und um Kollaboration in der Kunst. Zusammen mit den Studierenden aus dem MFA-Programm Kunst im öffentlichen Raum und neue künstlerische Strategien nahmen über 30 Studenten an dem Fachkurs teil. Es ging darum, welche Beispiele, Regeln und Wege man für die Zusammenarbeit nutzt, einschließlich des Internets. Wir hörten Vorträge von Fachleuten zu den Themen Egokontrolle, Produzentengalerien, internationale Plattformen, das Internet als Kollaborativer Plattform etc. Texte wurden analysiert, und ein abschließendems Reader wurde erstellt.

1.7 ‚Im entsprechenden Dunstkreis‘ (Kunstkritik)

WS 2012/13 (Mit Dipl.-Künstl. Anke Hannemann)

Was ist Kunstkritik? Wer schreibt sie? Kann ich es auch? Im Fachkurs werden die Werkzeuge und das Vokabular sowie die Geschichte der Kunstkritik untersucht und erprobt. Eine Verschärfung des kritischen Blicks auf die Kunst anderer soll geübt, der Dialog und die rhetorische Auseinandersetzung mit Niedergeschriebenen diskutiert werden. Die Kultur von Ausstellungseröffnungen wird dabei auch untersucht: Wie bewegt man sich innerhalb dieses Kunst-Biotops? Wie entstehen Kontakte während Eröffnungen, wie gehe ich mit Small Talk um, oder wie lasse ich mich auf ihn ein? Wie funktionieren Ausstellungen aus dem Blickwinkel aller anderen und nicht aus dem der ausstellenden Künstler? Bei Besuchen verschiedener Künstlerateliers soll durch Gespräche versucht werden, einen Blick von Außen zu erhalten. Von der eigenen Meinungsbildung bis zur eloquenten Kunstmagazin-Kritik werden wir uns mit den nötigen Werkzeugen wappnen.

Notizen

Gezeigt wird der Künstler, wie er sich in der Kunstwelt bewegt. Es geht um den Umgang mit der Ausstellungseröffnung als Ereignis und Umgang mit Kritik. Man fragt sich: ‚Muss man da hin? Warum? Wie benimmt man sich? Wie schreibt man Kritiken? Wie reflektiere und beurteile ich künstlerische Aussagen anderer? Es werden Kritiken geschrieben oder Berichte verfasst, ein Versuch, sich von außen zu betrachten.

2 Der KIOSK09 Fragebogen

Seit Anfang meiner Arbeit bei Prof. Norbert Hinterberger, haben ich einen Modell Fragebogen für die Projektbörse Woche eingeführt. Das Format lässt es zu administrative Informationen zu bekommen, und daneben Neigungen und Interessen für das Projekt und seine Inhalte zu spüren. Im gemischter Form (Amerikanisch und “Warum Fragen mit Platz für Antwort”), fragen wir, manchmal auf humoristische Weise, nach Fakten, die so stringent in einem Gespräch nicht zu sammeln wären.

Dies habe ich auch zum Abschluss allen Kiosk bezogenen Fachkurse eingeführt.

Die Bewertung der Fragebögen lässt sich aus der Tabelle sehr gut einlesen und kann manches über den Zusammenhang von Studium und Beruf, für die junge Generation aus ihrer Sicht erläutern. Jeder versucht für sich zu entscheiden, welche Motivation ihn zum Arbeiten treibt. Im Mittelpunkt aller drei Fachkurse steht das Wissen um den Kunstbetrieb. Jeder Teilnehmende stellt sich die Frage nach an den Teilnahme, ob er das Wissen braucht, ob er Information benötigt, um im Kunstbetrieb zu funktionieren.

2.1 Fragebogen KIOSK09 Teil 1

Wenn Künstler Kunst Kuratieren WS 08/09

  1. Name / Lieber Anonym
  2. Fakultät:
  3. Semester:
  4. Gast/Austausch Student - welche Uni?
  5. Warum haben Sie diesen Fachkurs gewählt?
  6. Was wollen Sie eher werden: a. Künstler b. Galerist c. Kurator d. Sonstiges (was?)
  7. Wollen Sie lieber: Reich oder Berühmt werden? (Bitte markieren)
  8. Ist ihrer Meinung nach das Wissen darüber wie der Kunstbetrieb funktioniert im Fachkurs ausreichend erläutert worden? (Bitte markieren) Ja / Nein
  9. Planen Sie an den folgenden K3 Fachkurse teilzunehmen? (Bitte markieren) Teil 2 Teil 3 beide keine
  10. Bemerkungen und Kritik:
  11. Glauben Sie es ist gut wenn „ Vögel zu Ornithologen“ werden? Ja / Nein (Bitte markieren) Warum?

2.2 Fragebogen KIOSK09 Teil 2

Wenn Künstler Kunst Kuratieren SoSe 09

  1. Warum haben Sie diesem Fachkurs gewählt?
  2. (Wie vorige Fragebogen)
  3. Wollen Sie in Zukunft lieber im Kreativen- oder im Managementbereich tätig werden?
  4. Warum?
  5. Glauben Sie es ist gut, wenn Künstler alles über dem Kunstbetrieb wissen und können, oder ist Ihrer Meinung nach, das Fachwissen darüber, wie eine Ausstellungsreihe funktioniert im Fachkurs ausreichend erläutert worden? Ja / Nein (Bitte markieren)

2.3 Fragebogen KIOSK09 Teil 3

Wenn Künstler Kunst Kuratieren WS 09/10

  1. Which exhibition did you like the best? please mark: Nationalkiosk / Eigenkiosk / KioskWerke / KoCA Inn / KOP / KoMA / KSA / DNA - Why?
  2. Be honest: If the project went on for another year, would you take part in it? Yes / No - Why?
  3. Would you consider running such a space yourself after this experience? Yes / No - Why?
  4. Would you continue if you didn’t need credits? / (Schein) Yes / No
  5. How did the experience of collaborating with people you didn’t choose to collaborate with work for you?
  6. Would you choose any one from the group for doing a project in real life? Yes / No If yes, who and why?
  7. Were you satisfied with the part you took over doing?
  8. Anything you wish to have tried and didn’t dare?
  9. Do you believe such a project can run profitably? Yes / No
  10. Is the knowledge about how such an art institution might work has been adequately mediated? Yes / No If no, why?
  11. how do you assess the work with base camp (you can mark more than one): good / bad / easy / complicated / insufficient / intimidating / nerving / practical
  12. Did you usually log in or just read the mails?
  13. Will you consider using an online internet platform for your own project? Yes / No / I use it / similar prog. already.
  14. Any other comments or critique

Thank you for taking part in this Fachkurs!

2.4 Fachkurs Kiosk Fragebogen (Tabelle)

Einteilung der eingeschriebenen Studenten nach Fakultät bzw. Studiengang
Fakultät Personen (P)
Freie Kunst 17
Visuelle Kommunikation 3
Lehramt Kunst 3
Architektur 1
Medien 2
Produktdesign 1
Semesterhöhe der Teilnehmer
Semester P
1. 1
2. 3
3. 4
4. 2
5. 4
6. 3
7. 6
8. 8
9. 5
Teilnahme an Fachkurse einmalig / mehrere
Fachkurs P
1/3 19
2/3 3
3/3 6
Fragebogen Teil I Frage #7: Wollen Sie lieber: Reich oder Berühmt werden?
F P
Reich 1
Berühmt 3
Beides 4
Fragebogen Teil II Frage #6: (FB Teil I/II): Was wollen Sie eher werden: a.Künstler b.Galerist c.Kurator d.Sonstiges
F P
Künstler 9
Galerist 2
Kurator 1
Mehrere 5
Fragebogen Teil II Frage #7: Wollen Sie in Zukunft lieber im Kreativen- oder im Managementbereich tätig werden?
F P
Management 0
Kreativ 5
Beides 4
Fragebogen Teil III Frage #15: Wie schätzen Sie die Arbeit auf basecamp?
Praktisch 2
Gut & kompliziert 1
Gut & Einfach 2
Gut & Einfach & Praktisch 2
Gut & Praktisch 1
Fragebogen Teil III Frage #17: Werden Sie ein Online Internet Plattform für Dein eigenes Projekt?
Ja 4
Nein 1
Ich nutze es schon 1
Ich nutze ein ähnliches schon 1

3 Exile On Main Street4 (Hidden Track)

Über die Schönheit einer zufälligen Straßengemeinschaft und Kunstnomaden im Internet

Der Name KoCA Inn wurde gleich am Anfang von der deutsch-brasilianischen Gruppe URBANDÆ und der Künstlerin und Projektkoordinatorin Daniela Brasil vorgeschlagen. Der Name machte deutlich, dass dort, ebenso wie im anderen Projektteil Hotel Miranda in der Marienstraße 10, Menschen übernachten würden; und so begann die Aneignung der Institution Kiosk of Contemporary Art. Der Kiosk der vielen Namen, wurde schließlich zum KoCA Inn. Als sich die Kooperation mit der Gruppe URBANDÆ weiter entwickelte und sich mit ihr das Konzept zu einer favela wandelte, traten mehrere Fragen auf: Ist dieser Kiosk einer von vielen social-community human plastics, wie etwa die Aktionen von WochenKlausur, oder stellt er ein neues Experiment einer interdisziplinären Vereinigung von Architektur, Urbanistik, Labor und Kunst dar? Was würde der Effekt einer solchen künstlich kreierten, temporären favela sein? Ist es ein Spektakel der Unterschicht oder für die Armen? Könnte der Kiosk ein falsches Bild von Armut reflektieren?

Ariella Azoulay schreibt in ihrem Buch Training for ART, dass, auch wenn der öffentliche Raum von öffentlichen und privaten Stellen verwaltet wird, beispielsweise der Regierung, der Stadt, der Polizei oder des Kommerzes, das Monopol doch immer in der Hand der Regierung bleibt. Verschiedene Gruppen, wie städtische Institutionen, NGOs oder Unternehmen, die unterschiedliche Interessen, zum Beispiel wirtschaftliche, ökologische, kulturelle und politische vertreten, müssen untereinander und mit dem Staat verhandeln, um ihre eigenen Ziele mit dem Stand der Dinge im öffentlichen Raum abzugleichen. Ursprünglich war die Struktur des Kiosks auf Illegalität und Unerlaubtes ausgerichtet, doch dann entschieden wir uns für den nachgiebigen Weg der Kooperation mit der Stadt (Stadtrat, Grünflächenamt, usw.). Außerdem kommunizierten wir mit den Nachbarn des Kiosks, die uns alle gut gestimmt schienen.

„… The rights to express, talk, gather, convey ideas, demonstrate, etc. are not a frame of the democratic game, but provide the circumstances that allow the existence of this game”. (Azoulay 1999, 27:71)

Wenn ich meine Erfahrungen hier mit der internationalen Situation vergleiche, muss ich feststellen, dass die deutsche Regierung sowie öffentliche Finanzierung solchen öffentlichen Projekten sehr großzügig und ermutigend gegenüber stehen. Der KoCA Inn wurde vom Fonds Soziokultur finanziert, was die Umsetzung einer utopischen Idee für einen kurzen Zeitraum erlaubte. Dank dieser Unterstützung war die Finanzierung dieses Projekts kein großes Problem. Die Unterstützung wurde genutzt, um eine schöne, sichere und baumfreundliche favela zu bauen. Die Hauptstruktur wurde um den Kiosk herum gebaut, sie wurde um eine Küche, Toiletten und um alle weiteren notwendigen Vorrichtungen ergänzt. Die grundlegende Struktur war installiert und erlaubte, dass die Inhalte dieses Raumes wachsen konnten. Über die Projektdauer hinweg weitete der KoCA Inn seine Grenzen an Freizügigkeit aus und erlaubte so das Durchbrechen der Grenzen von innen. Nach dem Ende der Planung war es an der Zeit zu beobachten, welches Ergebnis sich durch die Einflüsse des street factor und des öffentlichen Raums ergeben und wie die Bürger es annehmen würden.

Viele verschiedene Aktionen, von Kochen über Vorträge und allgemeine Treffen bis zu Live Musik und Partys, fanden täglich statt. Diese Ereignisse wurden für alle Passanten gut sichtbar, an einem schwarzen Brett bekannt gegeben. Einige Veranstaltungen waren außerhalb konventioneller Grenzen, so etwa der Workshop Freiheit spielen, bei dem drei jugendliche Strafgefangene der JAA Weimar zwischen 16 und 17 Jahren von einem Künstler, einer Mitarbeiterin von Boje e.V. und hauptsächlich einem Mitglied von Color Violence e.V., begleitet wurden. Die drei kamen täglich zum Kiosk, wo sie willkommene Gäste waren und ihnen die Möglichkeit gegeben wurde, an einem anderen Ort als der JAA Weimar zu sein und diesen zu erfahren. Ein anderes Ereignis war das Datenpicknick, das an einem Samstag Nachmittag von KIOSK09 und der freien Initiative FeiNT.org unter der Leitung von Bernd Naumann und Max Albrecht durchgeführt wurde. Dort konnten Musik und Filme in einer gemütlichen Atmosphäre, inklusive Kochen, getauscht werden.

Eine Gruppe Interessierter brachte ihre Computer, Kabel und Speichermedien mit und saß in einem open air private Salon zusammen. Anders als in einem Internetcafe, in dem die Menschen fast ausschließlich allein an einem Tisch sitzen, gab es am Kiosk aktive Kommunikation; hier wurden intensiv Eindrücke und Meinungen ausgetauscht. Diese Aktion am Kiosk zeigte, dass ein bestimmtes Verlangen besteht, Boxen zu verlassen und sich zu verbinden. Das veränderte die natürliche Tendenz der Mitglieder dieser digital community allerdings nicht, sie dokumentierten und uploadeten weiterhin permanent Eindrücke ins Internet. Einige haben iPhone Bilder versendet und Tweets oder ein Blog Kommentar veröffentlicht, so zum Beispiel Lucian Patermann:

„ …also wir halten uns momentan ja am liebsten am Kiosk auf. Immer wieder ein bisschen anders, immer wieder schön. Mal aufregend und mal einfach nur entspannt. Und vor allem für viele so ‘rundum- die-uhr’ das keiner dazu kommt es mal online zu bringen. Deshalb an dieser Stelle einige wenige Eindrücke, zusammengetragen aus den letzten Tagen. Es lebe der Schnappschuss”.

Azoulay schreibt:

„The public domain cannot be captured in the camera lens, neither can it be summoned to a point of view. The public domain will exceed the camera lens since it is made out of countless points of view, imposing on it boundaries and signs, each creating a new point of view at the same time, which is then a blind spot in another point of view.”
(1999, 27:77)

Es war nicht schwer, das Ereignis selbst zu dokumentieren. Dies lag teilweise in der Natur der Veranstaltung, die sehr dokumentationsfreundlich war. Teilweise lag es daran, dass wir in der Kunstszene mittlerweile sehr vertraut im Umgang mit Dokumentationsprozessen sind. Und so wurde die Dokumentation ein Teil der Aktivitäten am KoCA Inn, jedoch nicht zum Hauptziel. Vielleicht war es das Fehlen der Notwendigkeit, das Ereignis während seiner Existenz zu beschreiben, was die totale Teilnahme und den Austausch von Input und Output, der während der Aktion stattfand, ermöglichte. Dinge wurden persönlich weitergegeben und der KoCA Inn wurde so, wie sein Name vorschlägt, zur Sucht. Es war zu besonders, um auf Facebook “getaggt” zu werden.

“Favelisiere dich selbst und der Rest wird folgen”, schien zum Motto des Projekts zu werden. Es war kalt und dennoch entwickelte sich eine Hängemattenkultur. Mitglieder beider Teams schliefen und übernachteten während der zwei Wochen am KoCA Inn. Auswärtige Reisende hörten von dem Projekt und blieben ebenfalls als Übernachtungsgäste. Die Interaktionen involvierten alle Themen wie Toleranz, Kommunikation, Raum geben, schaffen und nehmen. Es schien, als hätte jeder seine Rolle gefunden und dabei dennoch seine Individualität behalten. Wir gewannen an Erfahrung und an Verantwortungsgefühl für einander. Diese Kreuzung bot einen Raum für alle, die nach einem solchen suchten: Ständig war eine Mischung aus Künstlern, Kunstliebhabern, Wohnungslosen, sozialen Aussteigern, Geeks, Nerds und alternativ lebenden Menschen am Kiosk anzutreffen. So hat es URBANDÆ geschafft unsere Herzen zu “brasilianisieren”. Dieses Happening fand im und um den Kiosk herum statt, auf dem Bürgersteig, unter dem Baum, vor und über der Küche, an einer von Weimars meist befahrenen Straßenkreuzungen und sogar auf einer gegenüberliegenden Verkehrsinsel.

Es war nicht schwer, die Zeichen einer bedeutenden Deregulierung zu sehen, nicht nur an der Struktur des favela-Kiosk, sondern auch im Leben der umliegenden Bevölkerung. Der Kiosk wurde zu einem Ort, der für alle offen war, einladend, tolerant und nicht-einschüchternd. Ein Dazugehörigkeitsgefühl stellte sich schnell ein und auch wenn man nicht aktiv teilnehmen wollte, so wurde man doch wenigstens zu einem aktiven Beobachter. Wenn das Internet einen freien Zugang für alle ermöglicht, dann wurde der KoCA Inn in diesem Sinne zu einer gut vernetzten offline community, die sich im Grunde wie eine online community verhielt. Azoulay spricht von einem Tor aus der Privatsphäre heraus, das die Grenze zur öffentlichen Sphäre markiert. In dieser Hinsicht sind wir aus der einen Box heraus getreten, um uns in einer neuen Box wieder zu finden. Wir unterbrachen unser altes Verhalten nicht: wir quatschten, kochten, führten Veranstaltungen und dokumentieren weiter. So als wären wir noch im privaten Bereich unserer Häuser, nur waren wir im öffentlichen Raum. Eine digitale Nachbarschaft wurde lebendig:

“The beginning of the public sphere is characterized by the appearance of places in which these rights are implemented in a public manner in both senses of the concept – public as opposed to private, and public as in the open – something everyone can observe.” (Azoulay 1999, 27:80)

Mir scheint, als sei es möglich, eine Beziehung zwischen Internet und realem Leben herzustellen, bei der die Kunst eine Vermittlungsrolle einnehmen kann. Es bleibt die Frage: Was hat eine solche aktive Teilnahme ermöglicht? War es die Einfachheit? Konnte die ‘angenommene Armut’ befreien und verbinden? War es die favela selbst oder der künstlerische Input? In meinen Augen war es der Künstler in einer favela-Situation, der den Unterschied ausmachte. Künstlerische Freiheit und der Wunsch, in der Öffentlichkeit privat zu handeln, waren die Ziele und die favela wurde zum Werkzeug mit dem dies ermöglicht wurde.

KOP: Für das sogenannten Sommerloch (um es in der Galeristensprache zu formulieren), haben wir eine andere Strategie benutzt. Wir schlossen als Galerie, haben eine Pressemitteilung, die dies ankündigt verschickt und ließen den Kiosk von Hackern als Geisel nehmen. Der Kiosk diente als Demonstrationsobjekt. Die Wellen schlugen hoch, wir wurden ziemlich berühmt, auch international. Es stand überall in Zeitungen und Blogs. Es war interessant zu beobachten, wie viel Aufmerksamkeit wir auf internationaler Ebene bekamen und dass wir die meisten Klicks aus Amerika erhielten. Das Sommerloch wurde so zur berühmtesten Arbeit. Dann kamen der Herbstputz und die letzten drei Ausstellungen.

Im Herbst und gleich nach Semesteranfang folgten die drei letzten Ausstellungen. Die K3 Fachkurs Gruppe umfasste fünf Mitglieder aus den vorangegangenen Kursen und zehn neu Eingeschriebene, darunter manche Gaststudenten aus Spanien- Alle gingen mit Begeisterung an die Arbeit heran. Die KoMA - Kiosk of Modern Art Ausstellung war von Felix Ruffert (einer der Kioskgruppen-Inhaber) konzipiert und in ihre Aneignung an der MoMA in New York angelehnt. Wie in einer Wunderkammer, die aber nach außen gedreht wurde, konnte man durch die an den Fenstern installierten Diaboxen, einen Blick auf den Kiosk mit Kunst des 20 Jhds. erhaschen. Im November folgte Karo Kollowitz mit ihrer komplexen Installation Mondkopie, das Institut hieß natürlich KSA - Kiosk Space Agency. In dieser Zeit platzte die letzte vorgeplante Ausstellung und wir mussten sehr schnell eine Bewerbung organisieren. Diese wurde auf allen Universitäts-Online-Plattformen veröffentlicht, um erneut Kandidaten zu finden. Wegen der kurzfristigen Absage konnten wir uns keine Last Minute Alumni Beschränkung erlauben und haben den Wettbewerb für alle Studenten geöffnet. Dazu kam auch dass die Vorbereitungszeit auf den Jahreswechsel fiel und damit viele Dienste geschlossen waren. Der Erstsemester- Student Jewgeni Lossik wurde mit seinem Kyosk - DNA For A Better Life, ein für die Öffentlichkeit offenes Labor zum Verkauf und Austausch von DNA für Rechtliche Zwecke, per Jury aus allen Fachkurs-Mitgliedern demokratisch gewählt. Die Firma Beyer, die ihre Rechte verletzt sah, schickte uns dann einen Mitarbeiter, um die Nutzung des Logos und deren Motto For A Better Life zu diskutieren. In Anwesenheit des Künstlers und der Projektzuständigen sowie anderen Fachkursteilnehmern konnten wir den künstlerischen Einsatz verteidigen und ‘durften’ die Installation bis zum ursprünglich geplanten Abbau und die Übergabe des Kiosks an die Nachfolger zum Ende des Semesters sowie als Abschluss der Ausstellungsreihe behalten.

4 Anhang

4.1 K3-Fachkursbeschreibungen (vollständig)

  • Wenn Künstler Kunst kuratieren (K3)
    • Das ehemalige K&K Zentrum für Kunst und Mode, (heute KoCA Weimar, Kiosk of Contemporary Art) wird als Prototyp untersucht, und als Biotop und Labor benutzt. Über 3 Semester wird der Kiosk von der Gruppe übernommen werden.
    • Dies wird durch ein Fachkurs Angebot für die Studenten der Fakultät Gestaltung unterstützt.
    • In drei Etappen wird eine Art Kuratorenschule stattfinden, Themen bearbeitet wie:
    • Aussage & Konzept
    • Zusammenarbeit & Kooperation
    • Künstler als Kuratoren
    • PR-Arbeit
    • Nachhaltigkeit
  • Teil I: Übernahme (WS 08-09)
    • Die Geschichte des Kiosks wird bearbeitet reflektiert und präsentiert
    • Mit folgenden Gästen:
      • Ronald Hirte zur DDR Geschichte des Kiosk
      • Katharina Tietze und Katharina Hohmann (Initiatoren)
      • Leonie Weber und Felix Ruffert (jetzige Kuratoren)
      • Ryan Weber (Schalter Galerie Berlin)
    • Konzept, Ortsname, Call for Entries, Jury
  • Teil II: Instandhaltung (SoSe 09 und Eröffnung des Bauhaus 09 Jahr)
    • Künstlerbetreuung
    • Ausstellungen Auf- und Abbau in 4-6 Wochen Takt
    • PR Arbeit und Hausmeisterei
  • Teil III: Weiterpflege (WS 09-10)
    • Dritte Ausstellungsphase: Umbau bei laufendem Betrieb
    • Dokumentation
    • Finanzbericht
    • Übergabe

4.2 Bibliographie

Azoulay, Ariella. 1999. TRAining for ART. Critique of Museal Economy. Literature, Meaning, Culture. Vol. 27. Port Institute for Poetics & Semiotics and Tel Aviv University.


  1. Alle Fachkursbeschreibungen beziehen sich auf der Online Vorlesungsverzeichnisse der Professur Freie Kunst, Fakultät Gestaltung auf der Website der Bauhaus-Universität Weimar. Unterrichtssprachen waren Deutsch und English und die Kurse richteten sich an der Studierenden aller Fakultäten.

  2. “Exile On Main Street”: Album Titel, The Rolling Stones, 1972.

  3. Alle Fachkursbeschreibungen beziehen sich auf der Online Vorlesungsverzeichnisse der Professur Freie Kunst, Fakultät Gestaltung auf der Website der Bauhaus-Universität Weimar. Unterrichtssprachen waren Deutsch und English und die Kurse richteten sich an der Studierenden aller Fakultäten.

  4. “Exile On Main Street”: Album Titel, The Rolling Stones, 1972.